Mit der sozialen Erhaltungsverordnung für das Gebiet der „Schöneberger Insel“, die die Bezirksverordnetenversammlung jetzt zur endgültigen Beratung und Beschlussfassung an den Ausschuss für Stadtentwicklung überwies, geht Tempelhof-Schöneberg den von der rotgrünen Zählgemeinschaft eingeschlagenen Weg eines höchstmöglichen Mieterschutzes weiter. Dieser Beschluss schiebt bei 21.600 Mietwohnungen möglichen Luxusmodernisierungen, Mietexplosionen und Umwandlungen einen Riegel vor, unterstreicht angesichts der aktuellen Auseinandersetzungen aber auch: Wenn es keinen anderen Weg gibt, Immobilienspekulationen zu Lasten der Mieter in Gebieten mit Erhaltungsverordnung zu verhindern, wird der Bezirk auch künftig von seinem dort gesetzlich verankerten Vorkaufsrecht Gebrauch machen.
Das erklärten Jörn Oltmann, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen und Jan Rauchfuß, Vorsitzender der SPD-Fraktion, in der BVV. Gleichzeitig äußerten die beiden Kommunalpolitiker ihr Unverständnis für das Verhalten der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die jetzt dem Bezirk dieses Vorkaufsrecht streitig machen will, dabei offensichtlich auch bereit ist, einen jahrelangen Prozess bis hin zum Bundesgerichtshof zu treiben. Die BImA hatte als Ergebnis eines Höchstbieterverfahrens zwei zu ihrem Eigentum zählende Häuser im Milieuschutzgebiet Großgörschen- und Katzlerstraße zu einem Preis von 7,8 Millionen Euro verkaufen wollen. Da dieser Preis dem 35fachen der derzeitigen Jahresmiete entspricht, sich für einen Investor also nur bei drastischen Mietererhöhungen rechnen konnte, hatte sich der Bezirk im Interesse der Bewohner gezwungen gesehen, sein Vorkaufsrecht geltend zu machen, allerdings nur zu einem von einem Gutachter ermittelten Kaufpreis von 6,3 Millionen Euro. Dagegen hat die BImA nun Klage eingereicht.
Natürlich könnten eine bundeseigene Anstalt und eine Kommune oder ein Stadtbezirk im Einzelfall auch unterschiedliche Interessen haben, meinten Jan Rauchfuß und Jörn Oltmann. Die Erfahrungen aus München, wo man ebenfalls mit dem Instrument der Erhaltungsverordnung arbeitet, zeigen aber, dass ein Streit um das Vorkaufsrecht nicht vor das Gericht führen muss. In den meisten Fällen, in denen die Stadt München ihr Vorkaufsrecht anmeldete, gaben die anderen Kaufinteressenten daraufhin eine so genannte Abwendungserklärung ab, verzichteten darin auf Luxusmodernisierungen, Aufteilungen oder Umwandlung in Eigentumswohnungen. So wurden die Interessen der Mieter gewahrt, musste München von seinem Recht keinen Gebrauch machen.
Diesen allen Seiten gerecht werdende Lösung hätte man auch in Berlin finden können, sagten die beiden Fraktionsvorsitzenden von Grünen und SPD. Dass die BImA und ihr Kaufinteressent dazu nicht bereit waren, die BImA nun mit einer 64 Seiten umfassenden Klageschrift den Rechtstreit beginnt, sich über den erklärten Willen des zuständigen Bezirksparlaments hinwegsetzt, lässt befürchten, dass sie hier ein Exempel statuieren will, das ganze Instrument der Milieuschutzverordnung infrage stellt. Dies könne aber unmöglich das Interesse der Bundespolitik sein.
Jörn Oltmann und Jan Rauchfuß übereinstimmend: „Wir haben keine Zweifel, dass das anstehende Gerichtsverfahren mit einem Urteil enden wird, der dem Bezirk recht gibt. Aber Bundestag und Bundesregierung, insbesondere der zuständige Finanzminister, sind aufgerufen, die BImA schon vorher zu stoppen, bevor weiter Steuergelder für ein unnötiges Gerichtsverfahren verschleudert werden.“