Die SPD-Abteilung Friedenau beschäftigte sich auf ihrer monatlichen Mitgliederversammlung am 23. Oktober mit dem frischgebackenen Kanzlerkandidaten der Partei – aber auch mit aktuellen kommunalpolitischen Themen. So berichteten die BVV-Mitglieder über die anstehenden Baumaßnahmen am Breslauer Platz, dem Güterbahnhof Wilmersdorf und der prekären Situation der Kinder- und Jugendhilfe in Friedenau. Hauptthema war jedoch die Diskussion über die Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück, die auf einhellige Zustimmung der Friedenauer Basis bauen darf.
Kommunales
Auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs Wilmersdorf könnten demnächst bis zu 600 neue Wohnungen entstehen; angeblich hat sich die Böag, die das Gelände zwischen S- und Autobahn, Handjery-, Haupt- und Bennigsenstraße entwickeln will, so entschieden. Offensichtlich sind unterdessen mit Wohnimmobilien mehr Renditen zu erwirtschaften als mit Handel und Gewerbe, die dem Investor auf diesem Areal zunächst vorschwebten.
Diese Neuigkeit bildete den Schlusspunkt unter dem Abend des 23. Oktobers 2012, an dem sich die Mitglieder des SPD-Ortsvereins (Abteilung) Friedenau zu ihrer Monatsversammlung trafen. Auf der Tagesordnung standen u.a. Berichte einiger Bezirksverordneter – Elke Ahlhoff, Gudrun Blankenburg und Marijke Hoeppner – zu aktuellen Entwicklungen in Friedenau und Tempelhof-Schöneberg. So scheint es bald zu einer Runderneuerung des Breslauer Platzes zu kommen, und auch das Ansinnen der Bürgerinitiative könnte zu einem guten Ende kommen – eine Art unterirdischer Begegnungsstätte für alle, dort, wo mal tiefergelegtes WC der BVG war. Zu hoffen ist auch, dass das
Gedenken an den Widerstandskämpfer und Sozialdemokraten Julius Leber doch noch zu einem guten Ende führt.
Alles auf Anfang – so heißt die Devise, wenn es um einen neuen Standort für die Bücherei(en) im Bezirk Tempelhof-Schöneberg geht. Das aufgelassene Hertie-Kaufhaus am Schöneberger Kaiser-Wilhelm-Platz, das zunächst als mögliche Unterkunft für eine Bibliothek ins Auge gefasst worden war, ist nun nicht mehr im Gespräch, aber die Notwendigkeit bleibt, in eine „Bibliothek der Zukunft“ für Tempelhof-Schöneberg zu investieren.
Die Friedenauer Sozialdemokraten waren sich an diesem Abend einig, dass sie sich in Kürze mit drängenden kommunalpolitischen Fragen im Detail befassen wollen, etwa mit Familien-, Kinder- und Jugendschutzthemen, die im Bezirk immer häufiger von immer weniger Fachleuten behandelt werden können. Oder mit dem Neuzuschnitt von Schuleinzugsgebieten, mit dem sich die Experten in der Fraktion auseinandersetzen, weil die bei vielen Eltern, Schülern und Pädagogen für großen Unmut gesorgt haben.
Peer Steinbrück und soziale Gerechtigkeit - (k)ein Widerspruch?
Im Zentrum der Mitgliederversammlung stand allerdings – und das hätte ihn sicher gefreut - Peer Steinbrück. Fast jeder, der sich zum frischgebackenen SPD-Kanzlerkandidaten zu Wort meldete, kritisierte das holprige Verfahren, das ihn zum Merkel-Herausforderer gemacht hat. Aber so gut wie unumstritten war, dass Steinbrück derzeit der beste Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2013 ist. Mit Betonung auf derzeit: Besonders in der Parteilinken und auch in der Parlamentarischen Linken wird er als eine Art Übergangskandidat eingeschätzt - aber auch akzeptiert -, dem auf mittlere Sicht qualifizierte Persönlichkeiten folgen müssten, die für eine klare, erkennbare und linksprofilierte Neuorientierung der linken Gerechtigkeitspartei SPD stehen. Die Vorzeichen dafür sind gut: Wie selten in zuvor in den letzten 15 Jahren sind Themen wie soziale Gerechtigkeit, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Abwehr von Armut und Ausgrenzung so medialen und gesellschaftlichen „Mainstream“ verankert wie heute. Die Finanzkrise seit 2008 führt den Menschen die reale Gefahr des sozialen Abstiegs vor Augen, der nicht nur die vermeintlich "Faulen" oder "Dummen" trifft.
Der persönliche Eindruck zählt
Einige Mitglieder berichteten an diesem Abend von ihren persönlichen Begegnungen mit Peer Steinbrück, den sie als begnadeten Rhetoriker erlebt hätten, als angriffslustigen Finanzexperten mit beträchtlicher Außenwirkung (neuerdings sogar bei Wählerinnen) – aber auch als Politiker mit der Fähigkeit, aus Fehlern und verhängnisvollen sozialen Entwicklungen zu lernen. Anders als er bisher nach außen hin wahr genommen werde, sei Peer Steinbrück durch und durch ein Sozialdemokrat, dem die zunehmende Gerechtigkeitslücke in unserer Gesellschaft umtreibt, weil sie auf Dauer den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Basis unseres demokratischen Gemeinwesens unterminiert.
Der „strategische“ Zusammenhang zwischen Ökologie, sozialer Gerechtigkeit, nachhaltiger Wirtschafts- und Finanzpolitik – dieser Themenmix könnte zu einem Alleinstellungsmerkmal werden, hinter dem die deutschen Sozialdemokraten, von links bis konservativ, gemeinsam mit Peer Steinbrück in den Wahlkampf ziehen. Das Ziel ist klar: Rot-Grün. Weitere Themen, mit denen die SPD punkten kann: Gleichstellung, Bildung, Rente, Mieten, bezahlbare Energie(wende), Arbeitsmarkt. MdB Mechthild Rawert, die frisch von einem Gespräch mit Peer Steinbrück kam, berichtete, dass der Kandidat diese Themen ebenfalls forcieren will.
Die vier Wählergruppen, die Peer Steinbrück besonders im Visier hat
In all diesen Themenfeldern versagt Schwarzgelb nach Strich und Faden – es fehlt dennoch derzeit eine Wechselstimmung in der Republik, ein Überdruss an Merkel & Co., der etwa für die letzten Amtsjahren Helmut Kohls kennzeichnend war.
Steinbrück hat vier Wählergruppen ausgemacht, die er gezielt ansprechen will.
- die klassische SPD-Wählerschaft,
- die „enttäuschten Abwartenden“,
- die "Wähler, die besser regiert werden wollen" und
- gebildete, aufgeklärte Bürger, die am Gemeinwohl orientiert sind und eine „gerechte Gesellschaft“ wollen
Damit (nicht nur in diesen Zielgruppen) die sozialdemokratischen Vorstellungen noch deutlicher unters Volk und in den Wahlkampf kommen, will die Friedenauer SPD dem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück einen unterstützenden Brief schreiben, in dem sich die Schwerpunkte, Analysen, Wünsche und Vorschläge der Friedenauer Sozialdemokraten spiegeln, die ab sofort im Wahlkampf sind. (usd/hd)