„Leben in Vielfalt bildet sich nicht in einem einzelnen Fachausschuss ab“

Veröffentlicht am 10.09.2012 in Frauen

Sommerfrühstück „Frauen und Gleichstellung“
Vertreterinnen der Beratungsstelle für Mädchen und junge Frauen des Vereins Leben Lernen e.V. , vom Nachbarschaftstreffpunkt HUZUR, von OLGA, dem Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin e.V. sowie der Lesbenberatung e.V. waren der Einladung von Mechthild Rawert (SPD), Bundestagsabgeordnete für Tempelhof-Schöneberg, zum Sommerfrühstück „Frauen und Gleichstellung“ ebenso gefolgt wie Marijke Höppner, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in der BVV, und Manuela Harling, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen. Mein Dank gilt insbesondere an die Lesbenberatung e.V. für die Zurverfügungstellung ihrer Räumlichkeiten für unser Treffen am 27. August.

Ein Ziel des Sommerfrühstücks „Frauen und Gleichstellung“ in der schon traditionellen Reihe „Auf ein Wort Frau Rawert“ wurde schon mit der ersten Tasse Kaffee bzw. Tee erreicht: Akteurinnen und Akteure in den jeweiligen Themenbereichen miteinander bekannt zu machen und zu vernetzen. Einige der anwesenden Frauen kannten sich untereinander noch nicht persönlich, obwohl sie in der gleichen Projekt-Community und räumlich in enger Nachbarschaft arbeiten. Schön, dass sich dies nun für die Zukunft ändert.

Politischer Arbeitsansatz von Mechthild Rawert
Auf Wunsch Einzelner, die das erste Mal an diesen jährlichen Sommerfrühstücken teilnahmen, stellte sich Mechthild Rawert einmal ausführlicher ihren politischen Arbeitsansatz in der laufenden Legislaturperiode vor. Bedauerlicherweise ist die SPD 2009 ja ziemlich „abgeschmiert“. Als aktive Sozialdemokratin ist es ihr immer darum gegangen, dieses „verloren gegangene Vertrauen“ - ein ungeliebtes Thema ist hier die unter Rot-Grün erfolgte Verabschiedung von sogenannt „Hartz IV“ - wiederzugewinnen. Obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht Parlamentarierin gewesen ist, hat dieser Vertrauensverlust auch sie schwer erschüttert. Ihr Ziel: Durch aktive Arbeit vor Ort und ein sehr bürgernahes politisches Agieren den Menschen das Zutrauen wiederzugeben: Da ist eine, die kümmert sich, da ist eine, die ist ansprechbar, da ist eine, die hört mir zu.

Ich habe erreicht: Sozialdemokratische Politik ist bürgerInnennäher, ist mehr am wirklichen Leben orientiert

Statt wie in der 16. Legislaturperiode Mitglied zweier parlamentarische Ausschüsse zu sein, konzentriert Rawert sich auf den Ausschuss für Gesundheit, wirkt aber in zahlreichen „Querschnitts-Arbeitsgruppen“ in der SPD-Bundestagsfraktion mit. „ich bin stellvertretende Sprecherin der AG Gleichstellungspolitik, bin stellvertretende Sprecherin der AG Migration und Integration, bin Mitglied der AG Demographischer Wandel, der AG Strategien gegen Rechtsextremismus und stellvertretendes Mitglied im Unterausschuss für Bürgerschaftliches Engagement. Ich engagiere mich sehr für eine inklusive Gesellschaft. Jede dieser Querschnitts-Arbeitsgruppen ist offen für FachpolitikerInnen der „normalen“ 22 Ausschüsse. „ich finde diese Arbeit sehr produktiv. So war es möglich sehr viel schneller als sonst, die unterschiedlichen Blickpunkte in die einzelnen Positionspapiere und Anträge zu integrieren. Ich verdanke dieser Vielfalt – sowohl vor Ort in Tempelhof-Schöneberg als auch auf der parlamentarischen Ebene gut. Ich bin auch überzeugt, dass ich selber einiges erreicht habe, sozialdemokratische Politik insgesamt sehr viel bürgerInnennäher, sehr viel mehr am wirklichen Leben orientiert, auszurichten. Allerdings steht nicht immer öffentlich mein Name neben den einzelnen Forderungen – ich selber kann in einzelnen Positionspapieren natürlich darauf verweisen - aber die SPD muss sowieso als Teamplayerin agieren. In der Vielfalt liegt ihre Zukunft.

Intersexualität und Mehrfachdiskriminierung als Handlungsfelder der SPD

„Ich möchte gern wissen, welchen Wunsch sie an die SPD haben“, eröffnete Mechthild Rawert das anschließende Gespräch. Sofort antwortete Claudia Apfelbacher von der Lesbenberatung: „Wir als Lesbenberatung wünschen uns, dass die SPD endlich die Themen Intersexualität und Mehrfachdiskriminierung mehr in den Fokus ihres politischen Handelns nimmt.“ Viele der Frauen, die in die Lesbenberatung kommen und hier Beratung für lesbische und bisexuelle Frauen und Mädchen, Trans* sowie alle Frauen und Mädchen in Krisen- und Konfliktsituationen in Anspruch nehmen, berichten von erlebter Mehrfachdiskriminierung in ihrem Alltag. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz formuliere zwar die einzelnen Diskriminierungsmerkmale Alter, Geschlecht, Rasse, ethnische Herkunft, Behinderung, Religion, Weltanschauung und sexuelle Identität und in einzelnen Feldern herrsche nun ein sanktionierbares Diskriminierungsverbot. Für Deutschland ist der politische Ansatz der zeitgleichen Mehrfachdiskriminierung noch neu. „Die Erfahrungen der Diskriminierten werden so aber besser beschrieben, werden wirklichkeitsgetreuer - „Hier muss dringend etwas getan werden“.
„Ausgrenzung findet statt, wenn Menschen von der Normalität abweichen. Doch was ist normal?“
Apfelbacher erläutert weiter: In der von LesMigraS (Lesbische/bisexuelle Migrant_innen und Schwarze Lesben und Trans*Menschen) durchgeführten ersten umfangreichen deutschen Studie zu „Erfahrung mit Gewalt und Mehrfachdiskriminierung von lesbischen/bisexuellen Frauen und Trans*“ werde aufgezeigt, dass die Betroffenen vor allem in den gesellschaftlichen Bereichen Bildung, Arbeit und Gesundheitswesen diskriminiert werden. Traurigerweise herrscht gerade in Bildungseinrichtungen „großer Aufklärungsbedarf über vielfältige sexuelle Lebensweisen“. Die Betroffenen können häufig gar nicht genau festmachen, welches ihrer individuellen Merkmale zu Diskriminierung führt. Erschreckend ist vor allem, dass transidente Menschen sich oft von Vertrauenspersonen wie Ärztinnen und Ärzte in ihrer Geschlechtsidentität nicht ernst genommen fühlen.

Was die stärksten Ausgrenzungsmechanismen sind, Rassismus oder Sexismus oder etwas drittes, ob wir in Zukunft einen Zuwachs von Gewalt und Mehrfachdiskriminierung erfahren werden, wird Thema einer Fachtagung, die am 21. September im Rathaus Schöneberg stattfindet.

Intersexualität
Eine offene politische und gesellschaftlich stärker zu diskutierende „Baustelle“ sei die Befassung mit dem Themenkomplex Intersexualität. Ihr Wunsch ist es die Kategorisierung Mann/Frau aufzuheben. „Junge Menschen, die in die Beratung kommen, wollen sich oftmals nicht einordnen lassen“, so Apfelbacher. Die Lesbenberatung wird künftig sensibler mit der „Intersexualität“, der Mehrdeutigkeit des Geschlechtes auch in ihrer eigenen Arbeit umgehen. Mechthild Rawert konnte auf die für den 04. September geplante Veranstaltung „intersexuelle Menschen anerkennen“ verweisen und lud alle in das nahegelegene Gemeindehaus der Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde ein. Absicht der SPD-Bundestagsfraktion sei es, den nötigen Bewusstseinswandel zu forcieren und – wie hier gerade gefordert – eine breite gesellschaftliche Debatte zu diesem häufig aus Unsicherheit und Unkenntnis heraus noch mit einem Tabu belegtem Thema zu führen.
Hierarchisierung von Beratungs- und Antidiskriminierungsprojekten im Bereich sexuelle Vielfalt
Grundsätzlich sei – obwohl Berlin hier bundesweit schon eine Vorreiterstellung innehabe, die Finanzierung der Queer-Projekte nicht ausreichend. Ganz deutlich sei auch eine „Hierarchisierung“ in der Mittelvergabe: Am besten ausgestattet sind Apfelbachers Meinung nach die Projekte der schwulen Community, gefolgt von den Projekten, die sich sowohl lesbischer als auch schwuler Themen annehmen. An dritter Stelle stehen die reinen Lesbenprojekten und weit am Ende der Skala befinden sich die Projekte, die Trans*sexualität als Thema haben und hier Beratung und Unterstützung anbieten wollen.

Finanzierung von Projekten

Auch Gülşen Aktaş von HUZUR beklagt die unzureichende Finanzierung. „HUZUR wird nicht so finanziert wie es für die qualitative Arbeit notwendig ist“, betonte Aktaş. HUZUR ist als Seniorenfreizeiteinrichtung für Migrantinnen der ersten Generation von ihr aufgebaut worden. Mit zunehmender Vielfalt auch unter den Seniorinnen und Senioren wachsen die Anforderungen. Dies um so mehr, wenn wir bedenken, dass die Gruppe der älteren und alten Menschen mit Migrationsbiografie dramatisch ansteigt. Sie freue sich sehr, dass Mechthild Rawert eine „feministisch ansprechende Arbeit macht und dabei die Vielfalt des Lebens in den Blick nimmt“ und erhofft sich, dass Rawert sich auch weiterhin für die Bürgerinnen und Bürger in Tempelhof-Schöneberg mit diesem großen Engagement einsetzt.

Prostitution im Spiegel von Zivilgesellschaft und Politik
Als frauenpolitische Sprecherin spricht Marijke Höppner das Thema Straßenprostitution im Kurfürstenstraßenkiez an und erklärte, dass sie als Bezirksverordnete mit den Vorurteilen, die durch die VertreterInnen der konservativen Parteien immer wieder in die BVV eingebracht werden, zu kämpfen hat. Sie wünschte sich von den Anwesenden Unterstützung, damit es gelingt einen Ausgleich zwischen den Interessen der Anwohnerschaft und den Frauen, die in der Prostitution tätig sind, zu schaffen. Ein sehr konfliktreiches Thema zwischen „Politik und Zivilgesellschaft“.

Berufsfindung im Feld traditioneller und moderner Geschlechterrollen
Adelheid Mechsner berät als Mitarbeiterin von Leben Lernen e.V. Mädchen und junge Frauen unter anderem bei der Berufsfindung. Sie wünschte sich, dass die Mädchen ihr Berufsspektrum verbreitern und ihren Berufswunsch nicht an der „Hitliste“ der Berufe orientieren. Noch immer stehen bei der Berufswahl von Mädchen und Jungen die traditionellen so genannten Frauen- und Männerberufe ganz oben. Gemein ist den von Frauen ausgeübten Berufen, dass sie wenig gesellschaftliche Anerkennung genießen und die Bezahlung eher gering ist. „Das ist eine riesige gesellschaftspolitische Herausforderung. Zu kritisieren sind aber nicht die Mädchen und Frauen, die diese Berufe wählen, zu kritisieren sind auch nicht die Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitsberufe. Schließlich sind diese für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft unverzichtbar. Zu kritisieren ist die Gesamtgesellschaft, die Modelle traditioneller Frauenbilder wie Frau als zuverdienende Ehefrau noch immer mit diesen anspruchsvollen Berufen konnotiert. „Ich halte das ganze Berufsorientierungssystem noch für stark verbesserbar. Noch greift es auf jeden Fall die strukturellen Grundlagen von Geschlechterungerechtigkeit – und seien wir ehrlich: auch von Machtungleichheit- viel zu wenig auf. Außerdem beginnt der institutionalisierte Berufsfindungsprozess viel zu spät“, merkt Mechthild Rawert an. „Positiv ist, dass die jungen Männer zunehmend von sich selbst aus anmerken, dass sie die gesellschaftliche Geschlechterungleichheit als unfair erachten.“ Trotzdem „gehen die Mädchen und jungen Frauen viel öfter unter“, so Apfelbacher. Sie erwartet aktive Geschlechterarbeit, wünscht sich „mehr gelebte Diversity“.
Adelheid Mechsner plädiert nachdrücklich für eine stärke Kooperation auch der MitarbeiterInnen der Projekte untereinander. Abgrenzung sei im Interesse gerade der jungen Frauen nicht hilfreich und löst keine Probleme. Ihr Wunsch ist, dass es eine gesonderte Finanzierung dafür gibt, dass insbesondere die Projekte, die im gleichen Sozialraum agieren, bzw. die, die vergleichbare Zielgruppen ansprechen, stärker und interdisziplinärer mit- und untereinander kooperieren. Eine zusätzliche Finanzierung müsse es geben, „Es kann nicht alles ehrenamtlich geleistet werden“.

Frauen und Gesundheit
Viele der im Kiez lebenden Frauen haben nicht den umfassenden Zugang zum Gesundheitswesen, häufig auch aus Unkenntnis und Unsicherheit. Von einer umfassenden Gendermedizin sind wir noch weit entfernt - „das ist häufig mit Nachteilen in der gesundheitlichen Versorgung für Frauen, unabhängig vom Alter, verbunden“, so Rawert. Als gleichstellungsorientierte Gesundheitspolitikerin bedauert sie, dass „eine starke Frauengesundheitsbewegung fehlt“. Sehr gerne hätte sie ihre Initiative „Individuelle Gesundheitsleistungen eindämmen“ mit Unterstützung einer „Frauengesundheitslobby“ eingebracht. Das Gleiche gilt für ihren Antrag „Rezeptfreiheit von Notfallkontrazeptiva („Pille danach“) gewährleisten“. Die Stärkung der vorhandenen Frauengesundheitsprojekte und eine stärkere Kooperation mit diesen „vor Ort“ ist sinnvoll, sind sich die Anwesenden einig. Auch hierzu wieder ein Beispiel von Claudia Apfelbacher: Lesbische Frauen mit Krebs kommen in den Informationsmaterialien zum Thema Brustkrebs nicht vor. Das gesamte Material geht von heterosexuellen Frauen und ihren Partnern aus. Dabei gilt: „Gesundheit und eine adäquate gesundheitliche Versorgung geht uns alle an - auch wenn wir verschieden sind.“

Dieses Sommerfrühstück hat gezeigt: Es gibt noch viel zu tun, um die Gleichstellung in jedem Lebens- und Politikbereich zu erreichen.

 
 

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