160 Jahre SPD - Fortschritt braucht Gerechtigkeit!

Veröffentlicht am 06.06.2023 in Geschichte

Am 23. Mai feierten wir das 160-jährige Bestehen unserer SPD.  Dr. Siegfried Heimann berichtete über die Gründung der SPD am 23.5.1863 in Leipzig als Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) von Ferdinand Lassalle. Siegfried Heimann war von 1998 bis 2015 Vorsitzender der Historischen Kommission der SPD Berlin.

Anschließend feierten wir das Jubiläum mit einer roten SPD-Torte.

Den Vortrag von Dr. Siegfried Heimann dokumentieren wir hier:

Mitgliederversammlung der SPD Friedenau am 23. Mai 2023

Vortrag von Dr. Siegfried Heimann            

 

160 Jahre SPD

Das Thema beherrscht die Presse, mehrere Großveranstaltungen fanden zu diesem Geburtstag im Willy-Brandt-Haus statt und nun auch am 23. Mai 2023 bei der SPD Friedenau:

 

Aber: 160 Jahre SPD  -  stimmt das denn?

 

Am 23. Mai 1863 wurde der „Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) gegründet – die „Lassalleaner“, denn Vorsitzender war Ferdinand Lassalle. Der Name: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) lag noch in weiter Ferne.

 

1869 vereinten sich in Eisenach (deshalb: die „Eisenacher“) unter Führung von Wilhelm Liebknecht und August Bebel verschiedene Arbeitervereine zur „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ (SAP): Sie verstanden sich als Marxisten.

 

1875 vereinten sich „Lassalleaner“ und „Eisenacher“in Gotha zur „Sozialistischen Arbeiterpartei“, die Abkürzung blieb dieselbe: SAP. Sie verabschiedeten das „Gothaer Programm“, von Karl Marx später sehr harsch kritisiert.

 

Und erst 1891 – kurz nach dem Ende des Verbots der SAP durch das „Sozialistengesetz“ gaben sich die Delegierten des SAP-Parteitages in Erfurt mit einem neuen Programm (Erfurter Programm) auch einen neuen Namen:   Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD).

 

Aber:

 Es gibt dennoch gute Gründe, den 23. Mai 1863 – also heute vor 160 Jahren – als den Geburtstag der heutigen SPD anzusehen – trotz aller Höhen und Tiefen in der Geschichte der Partei in den letzten 160 Jahren. 

 

Aber bevor ich zu diesen „guten Gründen“ komme, noch ein paar Worte zur Vorgeschichte

Seit der sog. „Bauernbefreiung“ zu Beginn des 19. Jahrhunderts  waren die Bauern doppelt „frei“: sie waren keine Leibeigenen mehr und sie konnten kein Land mehr bearbeiten, um sich zu ernähren- das Land blieb meist den adligen Grundherren. Die landlosen Bauern drängten in die Städte.

 

Aber: Stadtluft machte nicht nur frei, sondern führte auch für viele frühere Bauern zu Hunger und Elend. Wenn sie Arbeit fanden, wartete ein 16 Stunden Arbeitstag auf sie. Viele waren „Schlafburschen“, sprich: sie hatten nur ein Bett in einer Kammer für wenige Stunden am Tag gemietet, denn die Wohnungsnot war groß. Es kam zu ersten gewaltsamen Protesten.

 

1844 in Schlesien kam es zum sog. „Weberaufstand“, über den Heinrich Heine ein anklagendes Gedicht schrieb und Gerhart Hauptmann später ein Theaterstück.

 

1848 dann die „Märzrevolution“ – die von Stephan Born gegründete, freilich nur kurzlebige „Arbeiterverbrüderung“ beteiligte sich an der Revolution.

 

Die Aufstände wurden „niederkartätscht“. Die Aufständischen – so sie überlebt hatten – mussten fliehen – in die Schweiz und nach Frankreich, vor allem nach Paris.

 

In Paris gründeten die Flüchtlinge politische Vereine:

der „Bund der Gerechten“ mit Wilhelm Weidling – einem frühen religiösen Sozialisten

der „Bund der Kommunisten“ mit Wilhelm Weitling und auch mit Karl Marx und Friedrich Engels

„Ein Gespenst  ging um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“, so der leicht abgewandelte Beginn des von Marx und Engels verfassten „Kommunistischen Manifestes“ von 1848 – es schloss mit dem Satz: „Proletarier aller Länder – vereinigt euch“ – eine deutliche Aufforderung, sich zu organisieren, aber nicht nur in einem Lande.

 

Aber: nach der Niederlage der Revolutionäre 1848/49 in Preußen, in Baden, in Sachsen und in Österreich begann  eine Zeit der politischen Stille: politische Organisationen blieben über Jahre verboten.

Zugleich entstanden vom liberalen Bürgertum gegründete „Arbeiterbildungsvereine“. Motto: Goethe lesen statt Marx.

 

Erst zu Beginn der sechziger Jahre war eine neue politische Aufbruchsstimmung zu erkennen: die sog. „Neue Ära“ in Preußen erlaubte mehr politsche Freiheiten. Viele Mitglieder in den „Arbeiterbildungsvereinen“ fühlten sich bevormundet. Sie wollten auch politische Fragen diskutieren.

Sie gründeten 1862 ein „Central-Comité zur Berufung eines Allgemeinen Deutschen Arbeiterkongresses“ und baten den nicht nur in Berlin bekannten politischen Debattenredner Ferdinand Lassalle um einen „Programmentwurf“.

 

Lassalle, 1825 geboren und schon 1864 nach einem Duell gestorben, hatte mit Marx und Engels sehr kontroverse Gespräche geführt und Briefe gewechselt. Er war – wie viele  Zeitzeugen berichteten – ein „begnadeter“ Redner in Arbeiterversammlungen vor allem in Berlin und Umgebung.

Er erfüllte gern (und sehr ausführlich) den Wunsch des Leipziger “Central-Comités“, einen „Programmentwurf“ zu schreiben.  Am 1. März 1863 sandte er – übrigens aus Berlin-Schöneberg – sein  „Offenes Antwortschreiben“ nach Leipzig.

 

Am 23. Mai 1863 gründeten die Delegierten des „Arbeiterkongresses“  den „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ (ADAV) – das gültige restriktive Vereinsrecht in Sachsen ließ die Delegierten das Wort „Partei“ vermeiden.  Sie nahmen das Schreiben von Lassalle als ihr „Programm“ an und wählten Lassalle für fünf Jahre zum Vorsitzenden des ADAV.  Der Verein war sehr zentralistisch auf Lassalle zugeschnitten, aber seine bald darauf beginnende unermüdliche Agitation  (sie dauerte nur ein reichliches Jahr) hatte wenig Erfolg. Nach einem Jahr zählte der ADAV nur 4 600 Mitglieder.

 

Aber: Wie Helga Grebing schrieb:  „… der Anfang … war gemacht: es gab  eine selbständige deutsche Arbeiterpartei“Mit Fug und Recht – auch wenn der Name SPD noch auf sich warten ließ -

kann sich die heutige SPD deshalb auf den 23. März 1863 als „Geburtsstunde“ der deutschen Szialdemokratie berufen.

Der ADAV war „eine selbständige deutsche Arbeiterpartei“. Niemand durfte den Mitgliedern von außen reinreden, sie bestimmten den Kurs der Partei.

Die damit verbundene Aufbruchsstimmung  war deutlich erkennbar im ebenfalls beschlossenen „Bundeslied“ des ADAV, gedichtet von Georg Herwegh, ein Dichter des deutschen Vormärz:

 

                „Mann der Arbeit, aufgewacht!

             Und erkenne deine Macht!

            Alle Räder stehen still,

            wenn dein starker Arm es will."

 

Aber wie war das damit geforderte „Streikrecht“ auch politisch durchzusetzen?

Das „Offene Antwortschreiben“ von Lassalle gibt darauf eine entschiedene Antwort. Nach langen Erörterungen des allgemeinen politischen Zustands in den deutschen Ländern (das Deutsche Reich existierte noch nicht) fordert Lassalle von den Delegierten – kurz und knapp - , sich nur für ein Ziel einzusetzen:

 

„Blicken Sie nicht nach rechts, noch links, seien sie taub für alles, was nicht allgemeines  und direktes Wahlrecht oder was damit in Zusammenhang steht  und dazu führen kann.

Wenn Sie diesen Ruf – was Ihnen binnen wenigen Jahren gelingen kann – wirklich durch 89 bis 96 Prozent der Gesamtbevölkerung fortgepflanzt haben werden, welche, wie ich Ihnen gezeigt habe, die armen und unbemittelten Klassen der Gesellschaft bilden, dann wird man – seien Sie unbesorgt - Ihrem Wunsche nicht lange widerstehen.   …  das allgemeine Wahlrecht von 89 bis 96 Prozent der Bevölkerung als Magenfrage aufgefaßt und daher auch mit der Magenwärme durch den ganzen nationalen Körper hin verbreitet – seien Sie unbesorgt, meine Herren, es gibt keine Macht, die sich dem lange widersetzen würde.

Dies ist das Zeichen, das Sie aufpflanzen müssen! Dies ist das Zeichen,in dem Sie siegen werden! Es gibt kein anderes für Sie!

Mit Gruß und Handschlag 

Ferdinand Lassalle “

 

Der Weg war gewiesen – wie Lassalle meinte. Es sollte lange dauern, bis diese Wegweisung für die politische Arbeiterbewegung endlich Früchte trug. Reichskanzler Otto von Bismarck sah in den ersten politischen Versammlungen der SAP eine Gefahr für das Deutsche Reich. „Revolutionsfurcht“ ging um, besser: wurde geschürt. Angeblich von Sozialdemokraten geplante Attentate gegen den deutschen Kaiser dienten als Vorwand, um die  Sozialdemokratischen Arbeiterpartei 1878 für 12 lange Jahre zu verbieten.

Das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ – das „Sozialistengesetz“ – wurde am 1. Oktober 1878 im Reichstag für 3 Jahre verabschiedet und viermal verlängert. Die zugleich von Bismarck in die Wege geleitete „Sozialgesetzgebung“ (Krankenversicherung 1883, Unfallversicherung 1884, Alters- und Invalidenversicherung 1890)  sollte die Arbeiter mit dem reaktionären Obrigkeitsstaat aussöhnen. Die Verfolgungen durch das „Sozialistengesetz“ sorgten dafür, dass diese Absicht misslang.

Dank des Persönlichkeitswahlrechts für den Reichstag gab es allerdings weiterhin eine sozialdemokratische Fraktion im Reichstag, die sich von Wahl zu Wahl sogar (mit einer Ausnahme) vergrößerte. Das „Sozialistengesetz“ wurde 1890 nicht mehr verlängert.

 

Im Jahre 1912 stellte die SPD mit 110 Abgeordneten die stärkste Fraktion im Reichstag – Ferdinand Lassalle hätte das mit Stolz  und zu Recht dem allgemeinen direkten Wahlrecht (für Männer) zuschreiben dürfen.

 

Aber – ein wichtiger Exkurs ist zum Schluss notwendig. Die SPD-Abgeordneten des Reichstags wurden nur von Männern gewählt. Das „Bundeslied“ wendet sich an den „Mann“ der Arbeit. Also: Wo ist die „Frau“, wo sind die „Frauen“ in der SPD ?

 

Sicher ist es richtig: das „allgemeine und direkte Wahlrecht“ für den Norddeutschen Bund und später für den Reichstag galt nicht für Frauen. Frauen durften bis 1908  nicht an politischen Veranstaltungen – sprich: an Parteiversammlungen – teilnehmen. Erst das Reichsvereinsgesetz von 1908 erlaubte erstmals auch Frauen die Teilnahme an politischen Versammlungen.

 

Aber war das ein Grund für den ADAV, die Frauen einfach zu vergessen? Frauen in den deutschen Ländern arbeiteten in vielen Berufen in der Textilindustrie, in Heimarbeit und als „Dienstboten“ – noch schlechter als Männer bezahlt.

 

Der ADAV von 1863  und auch noch die SAP von 1869 forderten im Programm:  „die Erteilung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts an alle Männer vom 20. Lebensjahr an“.

Im „Gothaer Programm“ von 1875 hieß es immerhin: „ … Stimmrecht … aller Staatsangehörigen …“. damit konnten vielleicht auch Frauen gemeint sein.

 

Erst und endlich – wie August Bebel es in seinem Buch “Die Frau und der Sozialismus“ gefordert hatte – heißt es im „Erfurter Programm“ von 1891:

„… Stimmrecht mit geheimer Stimmabgabe aller über 20 Jahre alten Reichsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechts“

 

Die Arbeiterpartei mit dem neuen Namen SPD forderte auch für Frauen das Wahlrecht. Freilich – zum Schluss sei es gesagt – : das Wahlrecht für Frauen fordern – und Frauen hatten es in der deutschen Revolution von 1918/19 erhalten – ist das eine, das Wahlrecht auch wahrnehmen ist das andere.

Auf dem Reichsrätekongress vom 10. November 1918, auch viele Frauen aus den Munitionsfabriken etwa hatten mitgewählt, begann Käte Leu aus Danzig ihre Rede mit den Worten: „Liebe Parteigenossen, liebe Parteigenossin“.

Sie waren immerhin schon zu zweit – das hat sich in der SPD seither sicher geändert.

 
 

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